Dem ländlichen Raum eine Zukunft geben, das ist eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Am Beispiel der Gemeinde Amel mit ihren 17 kleinen und größeren Ortschaften und den hier lebenden 5.500 Einwohnern möchten wir im Rahmen von neuen „Arbeitsformen“ verdeutlichen, wie durch gezielte Schritte Perspektiven geschaffen werden. Die Kommunalpolitik ist hier ebenso gefordert wie die Deutschsprachige Gemeinschaft – nur gemeinsam können nachhaltige Akzente gesetzt werden. 

„Die Dorf-Büros in Ostbelgien können sich zu Musterbeispielen innovativer und zukunftsgerichteter Dorfplanung entwickeln. Alle Generationen zu integrieren, alle Nutzungsmöglichkeiten zu erkennen und Synergien zu begünstigen, empfinde ich als den richtigen Weg in Richtung Neugestaltung der dörflichen Gemeinschaft. Daher habe ich einen Projektaufruf zur Förderung dieser Initiativen gestartet und freue mich, dass unsere Gemeinden das Potenzial erkannt haben“, meint auch die für ländliche Entwicklung und Digitalisierung zuständige Ministerin Isabelle Weykmans.

Das Projekt der Dorf-Büros, einer für den ländlichen Raum konzipierten Büroinfrastruktur zur gemeinschaftlichen Nutzung, hat ihren Ursprung in einem deutschen Modellvorhaben, das zum ersten Mal 2015 von der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz in Prüm realisiert wurde. Das Projekt sollte ländlichen Gemeinden Lösungen dafür aufzeigen, wie Leerstand durch die Einrichtung von flexibel und kreativ genutzten Büroräumen begegnet werden kann. „Dorf-Büros bringen die Arbeit zurück in den Ort. Sie können dadurch ein wichtiger Impuls für die Entwicklung von Kommunen sein.“, ist Staatssekretärin Nicole Steingaß überzeugt und freut sich, dass das Projekt über die Grenzen hinweg und nun auch in Ostbelgien Anklang findet.

Schreibtisch in der Bibliothek „Bambusch“

Die Idee eines gemeinschaftlichen Arbeitsplatzes mit Internetverbindung – komplementär zum Home-Office – unterstützen wir, um das Dorf als Arbeitsort attraktiver zu gestalten. Hier konnten Synergien mit bestehenden Dienstleistungen geschaffen und die Idee eines Dorf-Büros „Bambusch“ konkretisiert werden: das Dorf-Büro entsteht in der öffentlichen Bibliothek Amel. Die Deutschsprachige Gemeinschaft finanziert die Inneneinrichtung mit 15.000 €. Es geht nicht darum, mit viel Geld neue Infrastrukturen zu schaffen, sondern die Nutzung bestehender Räumlichkeiten zu optimieren. Ein Dorf-Büro ist ein Gemeinschaftsbüro, in dem zeitlich flexibel einzelne Arbeitsplätze angemietet werden können.

Das Dorf-Büro ist mit einem kombinierten Bürotisch bestehend aus 2 Arbeitsplätzen ausgestattet, jeder Arbeitsplatz verfügt über einen angemessenen Internetzugang. Ein Drucker, Scanner und Kopierer stehen ebenfalls zur Verfügung. Ein Kühlschrank und WC sind vorhanden. Nach der Umsetzung von Innenarbeiten im Gemeindezentrum „Bambusch“ (Seniorendorfhaus, Kinderkrippe) werden weitere Synergien gesucht (Versammlungsraum mit Beamer).

Das Dorf-Büro sollte annähernd kostendeckend funktionieren, wobei sich die Kosten sehr in Grenzen halten. Das Gebäude wird ohnehin beheizt, Kosten entstehen hauptsächlich durch Strom und die Säuberung des Raumes. Die Reservierung, also die Koordinierung der Arbeitszeiten, geschieht über einen digitalen Kalender. Das Dorf-Büro öffnet ab Februar 2023 auf Termin, wochentags zwischen 7 und 18 Uhr. Diese Öffnungszeiten überschneiden sich nicht mit denen der Bibliothek, die abends bzw. am Wochenende besucht werden kann. Die Nutzer des Dorfbüros müssen eine Pauschale von 5 €/halben Tag bzw. 10 €/Tag bezahlen. Nach einer sechsmonatigen Betriebsphase werden erste Erfahrungen ausgewertet. Anhand der Ergebnisse wird das Projekt angepasst bzw. weiterentwickelt.

Zur Bibliothek Amel: diese Bibliothek (100 m²) wird durch ein engagiertes Team von 5 Ehrenamtlichen geführt und zählt derzeit etwas mehr als 5.000 Bücher, dazu etwa 100 CD’s und DVD’s, vorwiegend für Kinder. Jedes Jahr werden rund 200 neue, aktuelle Datenträger angeschafft und in etwa gleich viele aussortiert.  Die Schulklassen der Gemeindeschule Amel besuchen, nach Absprache mit dem Bibliothekar, mehr oder weniger regelmäßig die Bibliothek, stöbern in den Büchern und nehmen 2-3 mit nach Hause.  In den letzten Jahren fanden auch Buchvorstellungen und Autorenlesungen in der Bücherei statt und fanden guten Anklang.  Die Öffentliche Bibliothek ist an zwei Tagen in der Woche geöffnet: donnerstags von 18 bis 19.30 Uhr und sonntags von 10 bis 12 Uhr und erfreut sich regen Zuspruchs.

Büroräume im Dorfhaus Schoppen

Einen anderen Ansatz verfolgt das Projekt im Dorfhaus Schoppen. Hier werden keine Schreibtische stundenweise vermietet, sondern Büroräume über längere Zeiträume an feste Vertragspartner, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Das Dorfhaus Schoppen ist vor 2 Jahren mit Unterstützung der Deutschsprachigen Gemeinschaft angekauft worden. Dort werden zurzeit im Obergeschoss zwei Büroflächen eingerichtet, die an Arbeitnehmer/Arbeitgeber aus der Region vermietet werden (jeweils rund 40 m² + gemeinsamer Sanitärtrakt und Küchenzeile). Ein Büroraum ist bereits ab dem 1. Januar 2023 an einen hiesigen Unternehmer vermietet, für die andere Bürofläche können sich noch Interessenten melden.  Die monatliche Miete beträgt 400 €, inklusive Parkflächen, plus Nebenkosten. Die Gemeinde Amel hat im Ankauf der dreigeschossigen Immobilie – in Zusammenarbeit mit der DG – rund 500.000 € investiert, der Innenausbau des Obergeschosses kostete der Gemeinde nochmals 100.000 €.

Wir sind davon überzeugt, dass nur eine Vielzahl von kleinen und großen Maßnahmen, die inhaltlich untereinander abgestimmt sind, dem ländlichen Raum eine Zukunft geben und ihre Attraktivität steigern. Die Ziele der Dorfbüros:

–           Ortschaften zu beleben

–           die Arbeit zurück ins Dorf zu holen und damit Pendlerströme zu reduzieren

–           und sich den Veränderungen in der Arbeitswelt anzupassen,

stellen in diesem Sinne einen konkreten Mehrwert für die Gemeinde Amel und für die Deutschsprachige Gemeinschaft dar.