Die Polemik, mit der die Diskussion über Frauenemanzipation geführt wird, zeigt doch eins: Es ist noch viel Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft nötig, um im Streben der Frauen für Anerkennung und Gleichberechtigung keine Bedrohung zu sehen, sondern eine demokratische Urbedingung! Verstörend ist dabei manchmal die Vehemenz, mit der sich auch junge Frauen, zum Glück immer weniger, gegen den Begriff „Feministin“ oder noch despektierlicher „Emanze“ wehren. Dabei ist die Auseinandersetzung mit Normen, Strukturen und Rollenerwartungen im Sinne einer geschlechtergerechteren Welt der soziokulturell wichtigste Kampf nach der Aufklärung und anscheinend muss er in jeder (Frauen)Generation neu entfacht werden! Die Lebensentscheidungen der Frauen unterliegen einer ständigen Beurteilung und Wertung – von der Familie, von der Gesellschaft und von den politischen Entscheider*innen. Sie sollen Kinder bekommen, weil wir ein demographisches Problem haben. Sie sollen arbeiten, weil wir einen Fachkräftemangel haben. Die Kinder zur Betreuung bringen – Rabenmütter. Die Kinder zuhause betreuen – Hausmuttis. Die völlig konstruierten Konfliktlinien zwischen Karrieristinnen und Hausfrauen verdecken aber das wirkliche Problem: Frauen haben diese Welt nicht gemacht!  Und sie müssen einfach viel mehr an ihrer Gestaltung teilhaben. Als Frauen im 20. Jahrhundert in Europa zum Teil endlich den heimischen Herd verlassen durften, fanden sie in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Bildung männlich initiierte Strukturen vor. Alles, aber wirklich alles, was in der Gesellschaft Einflusskompetenz hatte und hat, ist durch männliche Gedankenmuster, die zu Prozessen und schließlich zu Normen wurden, geprägt. Das macht den Männern keiner zum Vorwurf. Es war halt so. Aber es muss eben nicht so bleiben. Die Frauentauglichkeit hat zwar zum Teil in der Medizin, Forschung und Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten schrittweise Einzug gehalten, wie bei der Unfallforschung beispielsweise. Bei anderen Themen wiederum bleibt die Vorteilnahme klar bei den Männern wie bei der Schwangerschaftsverhütung: Die Pille für den Mann wurde aufgrund der nicht hinnehmbaren Nebenwirkungen nie bis zur Markttauglichkeit entwickelt.

Der Feminismus versucht also über den anderen Weg, den Weg der Frauen, aufzuklären. Dabei scheint es einer radikaleren systemischen Umkehr zu bedürfen, als manch einer meint oder erträgt.

Ein erster Lösungsansatz ist die Frauenquote in Politik und Wirtschaft. Das von manchen als aufgezwungen empfundene Gleichgewicht in der Besetzung von Entscheidungspositionen ist der Versuch, Strukturen und Prozesse von oben herab zu feminisieren. Denn machen wir uns nichts vor. In einer für Männer zugeschnittenen Welt, haben Frauen nicht die gleichen Chancen gefördert und rekrutiert zu werden. Wie sonst können aber Entscheidungen eine Frauenperspektive bekommen? Wie sonst kann der Weg der Frauen aufgezeigt werden?

Das gleiche Schema in der Arbeitswelt. Tatsache ist, dass Frauen sich für schlechter bezahlte Care-Berufe entscheiden, viel öfter in Teilzeit arbeiten und auch für die Kinder und Familie viel öfter als Männer eine Auszeit nehmen. Es muss ein Bewusstsein dafür entstehen, dass der Weg der Frauen auf dem Arbeitsmarkt nur sichtbarer wird, wenn sich rücksichtslos leistungsorientierte Wirtschaftsmodelle ändern – und zwar für Frauen UND für Männer. Das passiert gerade unter den Stichworten geschlechtergerechte Arbeit, New-Work und agiles arbeiten – dem Fachkräftemangel sei Dank. Deswegen werden aber nicht mehr Frauen in zukunftslastigen Berufen arbeiten. Deswegen wird es nicht mehr Ingenieurinnen, Technikerinnen, Wissenschaftlerinnen, Professorinnen geben. Hier muss früher angesetzt werden.

Alle sprechen davon, dass Mädchen darin bestärkt werden müssen, sich mehr mit MINT-Fächern zu beschäftigen. Dies würde dazu führen, dass mehr Frauen technische Berufe ergreifen, dass sie also in dem so zukunftsträchtigen Technologie- und Digitalisierungssektor ihre weibliche Sicht einbringen. Dabei ist das Problem ein viel, viel Komplexeres und erfordert – was die Schule betrifft – eine radikale Neubestimmung (ja sogar Revidierung) der Methodik in der Vermittlung von MINT-Kompetenzen. In Ostbelgien sind die Knick-Knack Erlebniswerkstatt beim RSI und auch das Medienzentrum mit ihrem Projekt „Programmieren für Kinder“, was einmal auch nur für Mädchen angeboten wird, Vorreiter.

Männer sind aber auch in einem anderen Bereich den Frauen weit voraus. Sie wissen um die Bedeutung der Netzwerke. Aus diesen Netzwerken kommen dann die Persönlichkeiten und die Vorbilder, die gesellschaftliche Entwicklungen durch ihre Entscheidungen mitprägen. Während wir Frauen uns gegenseitig missbilligend beäugen, um uns dann selbstgerecht in das eigene Lebensmodell zurückzuziehen, solidarisieren sich Männer im beruflichen und gesellschaftlichen Kontext wie selbstverständlich.

Weitsichtige (Frauen)Politik muss also neue Netzwerke fördern, die bewusst auf Diversität setzen und sich mit Frauen solidarisieren und Frauenvorbilder fördern. So entsteht eine Dynamik und Räume für Ideen und Projekte, die den Weg der Frauen von einer kleinen Nebenstraße der Geschichte, zur wirklichen Alternative für die Probleme unserer Welt machen. Also Frauen, solidarisiert euch und gestaltet die Welt mit! Das wird für euch kein anderer machen.