Der Grundstein für den “Nationalpark Hohes Venn” ist gelegt. Letztes Wochenende reichten die Projektpartner ihren Antrag bei der Wallonischen Region ein, deren Entscheidung zur Vergabe des Gütesiegels „Nationalpark“ für Anfang Dezember erwartet wird. Mit drei weiteren Projekten konkurriert das Hohe Venn, welches nicht nur aufgrund seiner Beschaffenheit als Naturschutzgebiet ein vielversprechendes Projekt darstellt. Für die Region verspricht der Projektantrag ein erhebliches Entwicklungspotenzial, besonders im Bereich der Wirtschaft im Einklang mit dem Umwelt- und Naturschutz. Dafür haben die verschiedenen Partner über ihren Entscheidungsradius hinausgeblickt, um die gemeindeübergreifende Regionalentwicklung maßgeblich voranzubringen.

Als eines der letzten Hochmoore Europas ist das Hohe Venn schon immer der Anziehungspunkt für Einheimische oder Gäste aus dem In- und Ausland für einen Tagesausflug in die Natur, vor allem in der Wintersaison. Allerdings kommt es vermehrt zu einem großen Aufgebot an Touristen, wenn unsere Region schneebedeckte Landschaften im Gegensatz zu tristem Regen im Landesinneren bietet. Dies führte in der Vergangenheit zu vollgeparkten Straßen, Lärmbelästigung und Umweltverschmutzung. Bei der Lösungsfindung scheint der Schlüssel bereits gefunden, doch die Umsetzung sich schwierig zu gestalten. Die Gästelenkung, das heißt, die Touristen auf verschiedene Standorte aufzuteilen, ihnen alternative Dienstleistungen zu bieten und für die Natur zu sensibilisieren, ist eine vielseitige Aufgabe, wie Tourismusministerin Isabelle Weykmans bestätigte.

„Auch wenn die Tourismusagentur bereits in der Vergangenheit Maßnahmen zur Gästelenkung ergriffen hat, liegen beispielsweise Fragen der Mobilität, Schaffung von Parkplätzen oder die öffentliche Ordnung im Allgemeinen im Entscheidungsbereich der Gemeinden. Es gilt also zwischen unterschiedlichen Partnern, zwischen Tourismus und Umweltschutz sowie verschiedenen Entscheidungsebenen das richtige Gleichgewicht und die richtigen Maßnahmen zu finden. Mit dem Projektantrag zum Nationalpark haben wir die Chance erkannt, ein einheitliches System aufzustellen und darüber hinaus eine nachhaltige Vision für das Naturschutzgebiet und gleichermaßen für die Region auszuarbeiten.”, erläutert Ministerin Weykmans.

Ein Zusammenschluss von rund 40 Akteuren wie Gemeinden, Provinz Lüttich, Deutschsprachige Gemeinschaft und Vereinigungen aus Umweltschutz, Tourismus, Forschung und der Naturpark hat den Antrag zur Schaffung eines Nationalparks im Hohen Venn ausgearbeitet. In der Vielseitigkeit der Akteure und der Zusammenarbeit der Gemeinden liegt eine Besonderheit, die über die Sprachgrenzen und verschiedenen Instanzen hinaus gemeinsam die Ausarbeitung vorgenommen haben. Die Deutschsprachige Gemeinschaft sieht sich dabei als Unterstützer ihrer Initiative. Nun liegt der Projektantrag auf dem Tisch der Wallonischen Region, zusammen mit drei anderen Bewerbern. Im Dezember entscheidet sich dann, welche zwei Gebiete das Gütesiegel „Nationalpark“ erhalten und in den Genuss der vorgesehenen Finanzmittel in Höhe von 13 Millionen Euro kommen werden. Dabei sind die Antragssteller guter Dinge, dass das Hohe Venn nicht nur aufgrund seiner außergewöhnlichen Natur und Landschaft überzeugt, sondern weil der Antrag ein ausgereiftes Konzept zur nachhaltigen Entwicklung des Gebietes beinhaltet.

Die Vielfalt von Flora und Fauna, die Eigenschaft als Kohlendioxidsenke und das einzigartige Naturerlebnis sind Eigenschaften im Hohen Venn, die prädestiniert sind für einen Nationalpark. Daher zielt der Projektantrag einerseits darauf ab, Ökosysteme und natürliche Prozesse langfristig zu schützen und zu stärken, auch um dem aktuellen Klimawandel entgegenzuwirken. Allein die Anforderungen der Wallonischen Region setzen voraus, dass 70% der Ausgaben des Nationalparks für den Schutz, die Restaurierung und die Erhaltung des Naturerbes dienen. Die restlichen 30% dienen der Aufwertung des Naturerbes. So wird bereits mit den Kriterien sichergestellt, dass die Natur in den Fokus eines Nationalparks rückt. Ein Teil der sich im Projektantrag befindlichen Maßnahmen sind die Unterstützung des Hohen Venns als Wasserspeicher, die Reduzierung von Treibhausgasen oder die Stärkung der Biodiversität. Damit verfolgt das Projekt auch die Vision, ein Referenzgebiet für die Sensibilisierung und Bildung für die Umwelt zu werden.

Andererseits werden durch die Schaffung eines Nationalparks vermehrt Gäste den Weg nach Ostbelgien finden, was die hiesige Wirtschaft ankurbeln wird. Dabei soll es nicht temporär und lokal zu einem starken Besucherandrang kommen, wie es aktuell der Fall ist, sondern durch verschiedene Eingangszonen auf dem deutschsprachigen Gebiet eine natürliche Gästeverteilung entstehen. Weitere Investitionen in bestehende Infrastrukturen und innovative Mobilitätslösungen werden das touristische Angebot des Gebiets aufwerten. Auch für die Anwohner wird der Nationalpark ein besseres Angebot an ortsnahen Dienstleistungen wie öffentliche Nahverkehrsverbindungen, Fahrradwegen, Umweltqualität und Arbeitsplatzangeboten mit sich bringen. Sowohl die Natur als auch die einheimische Bevölkerung werden spürbar von den Verbesserungen des Lebensraums und der Landschaft profitieren, mit denen auch eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen Dürre und Überschwemmungen einhergeht.

Das langfristige Ziel ist es, dass der Nationalpark nicht dem Massentourismus unterliegt, sondern, wie in der gesamten Region, der sanfte Tourismus ausgebaut wird, der bekannterweise wichtige Einnahmen für die Region generiert.

“Umweltschutz und Tourismus stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Strategisch geplant ergänzen sie sich nachhaltig, als dass sie sich ausschließen. Der Tourist sucht die Ruhe der Natur und legt bei der Auswahl seines Aufenthaltes Wert auf Naturbelassenheit. Unser Alleinstellungsmerkmal einer Naturregion bauen wir mit dem Nationalpark aus und ergreifen wichtige Vorkehrungen zu seinem Erhalt.”, unterstreicht Isabelle Weykmans und betont, dass das Projekt dem Geist der Zukunft entspricht.

Ostbelgien hat mit der Teilnahme an dieser Kooperation und dem Projektantrag eine vielschichtige Lösung gefunden – und jetzt heißt es warten, ob die Vision in die Tat umgesetzt werden kann. Ein Nationalpark, der das Gleichgewicht zwischen Erhalt und Erleben herstellt und unsere Region vor neuen Möglichkeiten stellt.