Sehr geehrte Parlamentsmitglieder,
sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie mich bei der heutigen Vorstellung mit einer Aussage beginnen, die im Rahmen der Studie „Perspektiven und Herausforderungen – Jugendliche und junge Erwachsene in Ostbelgien“ zum Thema Berufswahl gefallen ist: „Jeder fragt nach, jeder erwartet so viel von dir – aber wie soll ich, 17 Jahre, so eine Entscheidung treffen? Eine Entscheidung, die perfekt ist. Ich hätte es am liebsten, wenn mir jemand sagen könnte, du machst das. Fertig. Du machst das.

Dieses Zitat fasst in seiner Offenheit aber auch in seiner Konsequenz alles zusammen, was im Bereich der beruflichen Begleitung und Orientierung zunächst einmal in unserer Anspruchshaltung gegenüber der jüngeren Generation geändert werden muss. Kinder und Jugendliche brauchen Zeit, kreative Räume und eine vertrauensvolle Begleitung, um sich reflektiv mit der Frage „Was will ich beruflich machen“ auseinander setzen zu können. Und sie brauchen die Zusicherung, dass auch in der Berufswahl nichts in Stein gemeißelt ist und kein Anspruch auf eine perfekte, lebenslang gültige Entscheidung erhoben wird. In einer Welt, die auf Flexibilität und Anpassungsfähigkeit angelegt ist, gibt es solche Lebensentwürfe nicht mehr.

Auf der anderen Seite müssen auch strukturelle Änderungen im berufsbelgleitenden und -orientierenden Angebot vorgenommen werden. Denn was offenbar wird, ist eine Überforderung und eine Ratlosigkeit der Schüler*innen, die wir auf keinen Fall weder als Eltern noch als Pädagogen*innen, noch als Gesellschaft in dieser Form mit der Berufsorientierung zu erreichen bezweckten.

Wir wollen ganz klar anderes bewirken. Wir beanspruchen für unsere Kinder, dass sie ihre Fähigkeiten und Talente entdecken und kreativ weiterentwickeln können. Wir erwarten, dass in den Schulen Lehrende und Begleitende unterstützt werden. Sie sollen die pädagogische Kompetenz, die Instrumente, aber auch die Sensibilität besitzen, den Interessen und Talenten unserer jungen Menschen die entsprechenden Berufsbilder zurückzuspiegeln. Schließlich fordern wir für uns und unsere Kinder, dass wir auch schulexterne Mittel und Angebote erhalten, die diese Interessen in eine bevorzugte berufliche Perspektive münden lassen. Diese sollte dann idealerweise auch den Ausbildungs- und Arbeitsmarktrealitäten entsprechen und unseren Kindern die Möglichkeit eröffnen, diese schon im Vorfeld mit eigenen Bildern, Erfahrungen und emotionalen Einlassungen zu versehen. Stichwort Hospitationen und Praktika.

Das sind die Erwartungen an die Strukturen und Träger, die sich – gesetzlich beauftragt oder sozial verpflichtet – mit der Berufsorientierung von Kindern und Jugendlichen konzeptionell auseinandersetzen.

Resultierend aus diesen Erwartungen wurde schon vor mehr als zehn Jahren der Rahmenplan „Schulische Berufsvorbereitung und Berufsorientierung“ für alle Schulen verbindlich verabschiedet. Es bestand Klarheit darüber, dass den Jugendlichen ermöglicht werden sollte, die für sie besten Entscheidungen in Bezug auf ihren schulischen Werdegang, ihre Ausbildung und Berufswahl zu treffen. Dies erfordert ein Bewusstsein der eigenen Stärken und Schwächen ebenso wie fundierte Kenntnisse der Möglichkeiten und Wege, die offenstehen. Mit Hilfe eines Pilotprojektes sollten die Möglichkeiten im Bereich der Studien- und Berufsvorbereitung aufgegriffen und konzeptuell weiterentwickelt werden.

Im Wirkungskreis dieser schulischen Vorgabe entstand eine Vielzahl von qualitativen und engagierten Angeboten, die den Jugendlichen und/oder den ostbelgischen Schulen zur Verfügung standen und stehen. Das ADG, Kaleido und die Jungendinfo entwickelten Beratungsangebote. IAWM und ZAWM waren das Verbindungsglied zu den mittelständischen Unternehmen und auch externe Einzelaktionen wie von „Wirtschaft macht Schule“ oder dem „Studienkreis Wirtschaft und Schule“ haben berufsberatenden- oder berufsorientierenden Charakter und standen den Schulträgern und damit den Schüler*innen zur Verfügung. Schließlich haben Schulen selber Aktionen und Projekte initiiert, um ihre Schüler*innen auf dem Weg zur beruflichen Entscheidung zu unterstützen.

Somit hatten wir den Rahmenplan „schulische Berufsvorbereitung und Berufsorientierung“ und ein Potpourri an guten schulexternen und schulinternen Angeboten. Wie wurden diese Vorgaben und Angebote angenommen? In einer Online-Umfrage 2020 haben wir explizit danach gefragt. Wie wird der Rahmenplan angenommen und eingesetzt? Wie ist die Zusammenarbeit mit den externen Partnern zur schulischen Berufswahlvorbereitung und -orientierung innerhalb und außerhalb der Schule?

Die Auswertung der Umfrage hat gezeigt, dass die berufliche Orientierung zwar präsent ist, aber sehr unterschiedlich intensiv eingesetzt wird und in allen Schulen auf jeden Fall ausbaufähig ist. Auch weisen alle diesbezüglichen Umfragen der letzten Jahre auf eine große Inhomogenität in der Wahrnehmung aber auch in der Inanspruchnahme schulexterner berufsbegleitender oder -orientierender Angebote hin. Schulen, Schüler*innen und allen voran die Eltern waren angesichts dieser Polyphonie der Angebote und Ansprechpartner oftmals überfordert.

Lassen Sie es mich bildhaft ausdrücken: Die Zutaten für ein sehr gutes Berufswahlkonzept waren da, aber die Mischung hat nicht gestimmt und das Ergebnis hat nicht geschmeckt.

Ich möchte die wichtigsten Aspekte unseres Projektes mit noch einem Zitat kurz anreißen, bevor ich Ihnen liebe Kolleginnen und Kollegen die einzelnen Komponenten vorstelle: „Viele aktuelle Projekte und Angebote zur Berufsorientierung setzen darauf, dass Schüler eigenverantwortlich und in ihrer Freizeit auf die verschiedenen Einrichtungen zugehen. So finden Infoabende oder Schnupperwochen abends oder in den Ferien statt. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass der erste Schritt in Richtung Berufsleben ein großer ist, der viel Angst und Ungewissheit mit sich bringt. Der RDJ empfiehlt darum, Schülern mehr Möglichkeiten im Rahmen der Schulzeiten einzuräumen und ein einheitliches Informations-System für alle Schulen zu etablieren.

Unsere Aufgaben zu Beginn der Legislatur sind somit abgesteckt gewesen. Wir haben das bisherige Pilotprojekt evaluiert und eine Vergleichsanalyse der Situation im Bereich der Berufswahlorientierung im In- und Ausland vorgenommen, um neue, moderne Tendenzen, aber auch Bedarfe einordnen zu können. Je eingehender wir uns mit der Schulgemeinschaft, den Akteuren und vor allem den Schüler*innen und Eltern beschäftigten, umso klarer wurde die Spannbreite der Handlungsstränge:

Die berufliche Orientierung musste in der ganzen DG mit einem roten Faden versehen werden. Die bestehenden Angebote mussten sichtbarer, gebündelter und in ein abgestimmtes Konzept umschlossen werden. Das ganze Geflecht berufsorientierender Anbieter musste transparenter und die Ansprechpartner klar identifiziert und benannt werden. Die Zersplitterung des öffentlichen berufsorientierenden Angebots musste schon aus Effizienzgründen aufgehoben werden.

Dazu haben wir zunächst einmal eine Denkfabrik gegründet in Form eines breit aufgestellten Begleitausschusses mit Vertretern aus allen betroffenen Einrichtungen wie ADG, Kaleido, Schulnetze, RDJ, JIZ, die Sozialpartner und natürlich die involvierten Fachbereiche des Ministeriums. Der Begleitausschuss hatte die Aufgabe während 10 Monaten in 6 Arbeitssitzungen, die Umsetzung der verschiedenen Arbeitspakete in Bezug auf das ausgearbeitete Konzept kritisch zu begleiten und mit Impulsen, Ideen und Lösungen zu bereichern. Herausgekommen ist eine wirklich innovative und vor allem partizipative Grundlage zur Vernetzung, Bündelung und komplementären Ergänzung aller Aktionen im Bereich der beruflichen Orientierung, die jetzt verpflichtend für alle Schulen auch zur Kongruenz der Bildungschancen führen wird.

Was haben wir mitgenommen aus dem Austausch in der Denkfabrik und wie haben wir dadurch das anfänglich vorgeschlagene Konzept angepasst?

Zunächst einmal haben wir gesehen, dass es einer personellen Aufstockung des Schulpersonals bedarf, um die überfachlichen Kompetenzen (BO, Informations- und Medienkompetenz, Politisch demokratische Bildung) in ein schulinternes Konzept einzubauen. Also eine schulinterne Koordinierung der Inhalte über das Middlemanagement.

Dann haben wir gesehen, dass es auch einer Koordinierung und konzeptionellen Steuerung der außerschulischen Angebote von BO geben muss. Aus diesem Grund wird im ADG eine zentrale Stelle für BO gebildet und sowohl digital ausgerüstet als auch personell aufgestockt.

Schnell ist auch klar geworden, dass – basierend auf die Kompetenzanforderungen – die Nachfrage der Schulen und das Angebot an BO-Inhalten ständig aufeinander abgestimmt und evaluiert werden muss. Aus diesem Grund wird das verantwortliche Middlemanagement miteinander vernetzt, in der Erarbeitung eines schulinternen Konzeptes begleitet und beraten und mit Schulungen, sowie Lehrmaterial in Form einer digitalen BO-Farde ausgestattet. Das wird durch die entsprechenden Stellen im Ministerium geleitet.

Schließlich haben wir gesehen, dass eine viel engere Einbeziehung und Öffnung der Wirtschaftsakteure in Hinblick auf die verpflichtenden Praktika und Hospitationen von Nöten ist. Auch hier sind wir über das Fachkräftebündnis und seine Akteure dabei, Aktionen und Projekte impulsgebend zu initiieren, die eben diesen Mehrwert für die ostbelgische Wirtschaftswelt klarmachen und kontinuierlich anregen und auffordern, die Türen für die Schulen zu öffnen. Gleichzeitig wird wieder im ADG eine altersgerechte und interaktive Präsentation von Berufsbildern und Betrieben/Unternehmen/Trägern angelegt bzw. erweitert.

Basierend auf dem Thüringer Kompetenzmodell sind die zu übermittelnden Kenntnisse in der Berufsorientierung definiert worden und werden voraussichtlich ab dem Schuljahr 2023/24 über den angepassten Rahmenplan in die didaktische Vermittlung der Schulen übergehen. Kurz angerissen bedeutet es, dass Schüler*innen lernen sollen die Berufswahl als ihre eigene Aufgabe zu erkennen. Außerdem sollen sie sich differenziert mit sich selbst und der Berufswelt auseinandersetzen und schließlich eine sichere und fundierte Berufswahlentscheidung treffen können. Dabei den Übergang in die verschiedenen Laufbahnwege auf Basis dieser fundierten Entscheidung umzusetzen und zu verantworten, schließt den Kompetenzerwerb ab.

Um diese Kompetenzen vermitteln zu können, sind fünf Handlungseinsätze erarbeitet worden, die sogenannten Arbeitspakete der BO. Bei den fünf großen Komponenten handelt es sich um die begleitete Selbstreflexion, Berufs- und Betriebserkundungen, Hospitation und Praktikum, Schülerportfolio, sowie die Entwicklung eines schulinternen Konzeptes zur Förderung der Schülerkompetenzen im Bereich der beruflichen Orientierung. Und die möchte ich Ihnen kurz erläutern.

 

  1. Schulinternes Konzept zur Förderung der Schülerkompetenzen im Bereich der beruflichen Orientierung

Schon ab der Dritten Stufe Primar sollen die Schüler*innen einen ersten Kontakt zum Wirtschaftsleben bekommen. Da Berufswahlkompetenzen überfachliche Kompetenzen sind, die in allen Unterrichtsfächern und im schulischen Leben insgesamt zum Tragen kommen, muss ein schulinternes Konzept ausgearbeitet werden, das die Berufswahlorientierung in den Unterrichtsalltag fächerübergreifend einfügt. Dabei soll die schulische Laufbahn der Schüller*innen als Gesamtheit angesehen werden und in der Ausarbeitung eines Programms auf die Angebote der verschiedenen externen Partner zurückgegriffen und Eltern aber auch die örtliche Wirtschaft einbezogen werden.

Dazu wird das Middle Management in den Sekundarschulen personell aufgestockt und ein umfangreicher Material- und Angebotspool berufsbegleitender und orientierender Thematik angelegt! Wir wissen, dass hier nicht das Rad neu erfunden werden muss. Viele Schulen verfügen sowohl über das Know-How als auch über die Netzwerke, um ihren Schüler*innen den Kompetenzerwerb im Bereich der Berufswahlorientierung zu gewährleisten. Was wir vorhaben, ist eine Strukturierung, eine Erweiterung und eine Anpassung aller bestehenden Angebote, so dass ihre Sichtbarkeit, ihre Verfügbarkeit und Ihre Einsetzung keine Frage der Kommunikation oder des individuellen Einsatzes einiger weniger begeisterter Lehrer oder Schulen bleiben muss! Die Reform der Berufsorientierung verläuft an dieser Stelle parallel mit der Reform des ADG, das zum Referenzzentrum für Berufsorientierung in Ostbelgien ausgebaut werden soll und Nachfrage der Schulen sowie Angebot der Träger und Partner impulsgebend und koordinierend zusammenbringen wird. Wie schon erwähnt, werden die Middle Manager*innen miteinander vernetzt und bekommen allen erforderlichen Input und alle Neuigkeiten, um unmittelbar Ihre Bedarfe oder Anregungen zurückspiegeln zu können. Erste Anregungen konnten wir im Mai bei einem ergebnisoffenen und sehr ehrlichen Workshop mit Schulleiter*innen und Middle-Manager*innen des FSU und des GUW sammeln, die jetzt in die konzeptionelle Arbeit sowohl des ADG als auch des Ministeriums einfließen werden. Dazu wird im Juni mit dem ADG und allen Trägern gemeinsam der neue Rahmen für die berufsorientierenden Angebote erarbeitet, die so den neuen Bedarfen gemäß Kompetenzerwartungen entsprechen.

  1. Schülerportfolio

Das Schülerportfolio zur Berufswahlvorbereitung soll ein eigenes Instrument des Schülers sein und schließt neben schulischen auch außerschulische Belege ein (z.B. Ehrenamt, Studentenjobs, …). Die Intention ist es, Talente und Interessen der Schüler sichtbar und auch nachvollziehbar zu machen und dabei Bezüge zu deren Berufsvorstellungen und Berufswünschen herzustellen. Hier handelt es sich also nicht um eine Portfolioarbeit, die an einen einzelnen Unterricht gekoppelt ist, sondern um ein langfristiges, jahrgangs- und fächerübergreifendes Werkzeug, das als einheitliches digitales Instrument in allen Sekundarschulen genutzt werden soll. Der Europass erscheint hierfür am geeignetsten. Die dadurch an einem Ort gesammelten Informationen sind für die Berufswahl sowie die spätere Bewerbung hilfreich und wichtig und können gezielt in Absprache mit Eltern, einer Lehrperson oder einer externen Beratung genutzt werden. Auch hier werden Angebote konzipiert, die Schüler*innen und Lehrer*innen zur Arbeit und zum Einsatz mit diesem Mittel befähigen.

Dass es sich um ein digitales Mittel handeln muss, ist eine Herausforderung aber auch eine Chance für die Schulen. Die Erlebniswelt der Jugendlichen und somit auch ihre Lernumwelt ist immer mehr digital geprägt. Berufsorientierende Inhalte, digital aufbereitet und dokumentiert, eröffnen ganz neue Möglichkeiten für die Akzeptanz und die Nutzung, somit auch Zweckdienlichkeit dieses Portfolios. Es soll nicht in die Schubladen des alten Kinderzimmers verschwinden, sondern sich mit dem Jugendlichen, der Schule und dem technologischen Fortschritt weiterentwickeln.

 

  1. Die begleitete Selbstreflexion

Das Herzstück dieser Reform ist die begleitete Selbstreflexion. Hierbei werden zwei Handlungsstränge angewandt, und zwar als verpflichtendes Gruppenangebot innerhalb der Schulzeit und als individuelle Begleitung auf freiwilliger Basis außerhalb der Schulzeit. Die Jugendlichen sollen sich mit ihren eigenen Stärken und Interessen auseinandersetzen können. Während die begleitete Selbstreflexion mitunter der wichtigste Aspekt in der Entwicklung eines jungen Menschen ist, wird dieser Komponente gerade deswegen im neuen Konzept die größte Flexibilität gewährt. Jedem begeisterten und engagierten Lehrer*in ist die eigene Rolle in der Entwicklung auch der beruflichen Orientierung der Schüler*innen bewusst. Wer kann sich nicht an die eine tolle Lehrerin erinnern, die die Initialzündung zur Bewusstmachung einer Eigenschaft, eines Talents gegeben hat und somit die berufliche Orientierung mitgeprägt hat. Über die zufällige und gutgemeinte Bemerkung in der pädagogischen Begleitung hinaus strukturiert und konstruiert dieses Arbeitspaket noch mehr Orte und Begegnungen für genau diesen Austausch und vergegenwärtigt ihn im Bewusstsein der Schulakteure. Um diese Reflexion und die Bewusstmachung der eigenen Persönlichkeit im Spannungsfeld von sozialen Erwartungen, individuellen Wünschen und Talenten anzuregen, können die Schulen auf Angebote aus der kulturellen, medialen und/oder beruflichen Bildung zurückgreifen. In der pädagogischen Vor- und Nachbereitung dieser Reflexionsgelegenheiten entsteht Bewusstsein. Es geht letztendlich darum, jedes Kind und jeden Jugendlichen im eigenen Rhythmus und in der Bandbreite seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten dazu anzuregen, über sich nachzudenken. Auch hierfür bekommen die Middlemanager*innen Zugang zum entsprechenden Angebot und können an der Erweiterung bzw. Weiterentwicklung mitarbeiten, indem sie die schulspezifischen Bedarfe anmelden und Rückmeldung über das bestehende Angebot geben.

 

  1. Betriebs- und Berufserkundungen

Betriebs- und Berufserkundungen sind als kollektives Instrument zu verstehen. Zentraler Aspekt ist daher, dass sie im Klassenverband stattfinden. Mit dem Ziel der praktischen Veranschaulichung der Arbeitswelt sammeln die Schüler Eindrücke außerhalb der Schule, die dann im Unterricht verarbeitet werden. Betriebserkundungen zielen nicht darauf ab, den Berufswunsch der Schülerinnen und Schüler zu klären. Es geht in diesem Kontext darum, ihnen Einblicke in die Arbeits- und Berufswelt zu geben und so zu ihrer Interessenschärfung beizutragen.

Auch aufgrund der zunehmenden Komplexität und Dynamik der heutigen Berufs- und Arbeitswelt ist die praktische Berufsinformation immer bedeutsamer. Und wo lassen sich betriebliche Abläufe, Arbeitsvorgänge, Produktionsprozesse oder der berufliche Alltag besser darstellen als in den Betrieben und Unternehmen selbst?

Neben dem Mehrwert für die Schüler bringen die Betriebserkundungen auch Vorteile für die Lehrpersonen mit sich: Schulwissen ist in gewissen Anforderungsbereichen abstrakt. Die Kompetenzerwartungen und Lerninhalte des Rahmenplans können im Anschauungsunterricht in der Praxis lebendiger, interessanter vermittelt und langfristig verankert werden.

Außerdem können sich die Lehrpersonen ebenfalls über neue Berufsfelder und Anforderungsprofile informieren und ihren Unterricht dementsprechend anpassen.

 

Gleichzeitig erhalten die Lehrer durch die enge Zusammenarbeit mit Betrieben aktuelle Informationen über wirtschaftliche Veränderungen und die Auswirkungen technologischer Neuerungen und können sich auf dem neusten Stand halten.

Natürlich ist es auch für die Betriebe von Vorteil, wenn sie einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangen und das Interesse der Kinder und Jugendlichen wecken. Das verlangt von ihrer Seite zwar einen gewissen Zeit- und Arbeitsaufwand, der sich aber durch das Ergebnis und den Mehrwert für alle Beteiligten rechnet, denn Kinder und Jugendliche orientieren sich in ihren Entscheidungen naturgemäß an das, was sie irgendwann mal kennengelernt haben.

  1. Praktikum und Hospitation

Als letztes Arbeitspaket möchte ich auf die Praktika und Hospitationen eingehen. Auch sie werden verpflichtend eingeführt und ihren Nutzen für die berufliche Orientierung junger Menschen muss ich glaube ich hier nicht noch einmal anführen. Lassen Sie mich werte Kolleginnen und Kollegen trotzdem diesen Punkt näher erläutern, weil er in den vielen Diskussionen, die wir im Vorfeld dieses Konzeptes mit allen Schul- und Wirtschaftsakteuren geführt haben, die größten Unsicherheiten bezüglich der Implementierung erzeugt haben.

Und die Schulen haben Recht! Wo sollen die vielen Praktika gefunden werden? Wie können Unternehmen, Betriebe zur Öffnung ihrer Türen für Schüler*innen überzeugt und begeistert werden?

Die ostbelgische Unternehmenswelt befindet sich wie so viele andere Bereiche auch im Umbruch! Wir werden in Ostbelgien niemals ohne die Konnektivität und Durchlässigkeit der Systeme und ohne den kreativen Austausch von Menschen und Ideen die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können. Alle gesellschaftlichen Akteure, alle Ausbildungsstätten, die Schulen, die Betriebe und Unternehmen, die Vereine, die Gemeinden und die Dörfer – ALLE sehen sich durch Nachwuchs- und Nachfolgesorgen in ihrer Existenz gefährdet! Und wir alle wollen den jungen Menschen – unseren Kindern – eine realistische Dableibeperspektive in Ostbelgien eröffnen. Aus diesem Grund bin ich zuversichtlich, dass auch die Unternehmen Ostbelgiens, die kleinen und großen, die privaten und öffentlichen, von den Handwerksbetrieben bis zu den Pflegeheimen, von den Kulturanbietern bis zu den landwirtschaftlichen Betrieben, die Notwendigkeit und auch die Riesenchance erkennen werden, sich für die Schulwelt zu öffnen. Die Rückmeldungen, die wir dazu von den Wirtschaftsakteuren bekommen, sind überaus positiv. Natürlich braucht es auch hier Sensibilisierung, Impulse und konkrete Befähigung der Unternehmen mit Schulen und Schüler*innen umzugehen, so dass beide Seiten etwas davon haben. Und auch hier werden weder die Schulen noch die Betriebe alleine gelassen. Wir sind schon jetzt in der Erarbeitung von neuen Ideen, die mittel- und langfristig auch in diesem Bereich passgenaue, schulgerechte Lösungen anbieten werden können.

 

Der Fahrplan zur Einsetzung dieser fünf Arbeitspakete sieht zunächst einmal eine freiwillige Umsetzungsphase in den Schulen ab dem Schuljahr 2022-2023 vor. Dabei sollen die Schulen begleitet werden, um Rückschlüsse für die unterstützenden Maßnahmen zu ziehen. Ab diesem Zeitpunkt ist auch die Erhöhung des Stundenkapitals für das Middlemanagement vorgesehen.

Für die Primarschulen soll die vollständige Umsetzung bereits ab Schuljahr 2023-2024 erfolgen. Dabei wird das bisherige BO-Angebot von Kaleido in der Übergangszeit für die Primarschulen bis zum Ende des Schuljahres 2022-2023 aufrechterhalten. Das ADG übernimmt ab dem kommenden Schuljahr für die Sekundar vollumfänglich die Arbeit und dann ab dem Schuljahr 2023-24 für alle Schulen – also auch Primar – die koordinierende Funktion.

Voraussichtlich ab dem Schuljahr 2023-2024 tritt der überarbeitete Rahmenplan in Kraft. Bis zum Folgejahr 2024-2025 wird den Sekundarschulen ermöglicht, schrittweise das bereits erarbeitete schulinterne Konzept umzusetzen und neue Angebote durchzuführen. Ab dem Schuljahr 23/24 sind die Schulen dann verpflichtet Hospitationen und Praktika für alle Schüler*innen einzuplanen. Auch für das Portfolio ist das Schuljahr 2023-2024 der Startschuss.

Wir möchten mit der Professionalisierung und Konzeptualisierung der BO in den Schulen „Auf das echte Leben vorbereiten“. Wir nehmen damit die Schüler*innen in einer ihrer wichtigsten Lebensentscheidungen in den Fokus, begleiten sie ganzheitlich, stärken sie und vermitteln Kompetenzen zur Berufswahl.  Dafür stellen wir den Schulen ein fachlich abgestimmtes, kontinuierlich entwickelbares Instrument zur Verfügung und koordinieren die Anpassung der Angebote und der Materialien an die neuen Anforderungen. Das Ziel ist klar: Der 17jährige junge Mensch soll sich weder genötigt noch unfähig fühlen, im Berufsleben einen Weg einzuschlagen, der ihn erfüllt und zu ihm passt!

In diesem Sinne, vielen Dank für Ihr Interesse.